Montag, 22. Dezember 2008
Die Ostergeschichte neu geschrieben - ein Epops
Ein anderer flotter Seemann und darüber Entdecker Westindiens, Cristoforo Colombo, berichtete uns nicht nur von neuen Ufern, sondern dortselbst von fremdem Brauchtum: In einigen Siedlungen Hispaniolas verehrten die eingeborenen Indianerstämme in dem Vogel Upupa epops* einen besonders gewitzigten und deshalb jeder Form seiner Bejagung sich entziehenden Vertreter der Spezies, dessen Eier nur verlassenen Gelegen entnommen werden durften. Als Kultobjekte wurden diese von den karibischen Heiden verziert und angebetet. Dies geschah wie jedes Jahr zur Tag- und Nachtgleiche, dem Äquinoktium.
Ein gewisser Pierre Ubiquité, Hobby-Ornithologe und favorisierter Missionar seines eigenen Papstes verbreitete während höchst umtriebiger Handels- und Missionsfahrten den Upupa epops im gesamtkaribischen Raum. Dies begab sich rund um 1665, etwa 173 Sommer und Winter nach dem ersten Antillen-Segeltörn Colombos auf der Santa Maria, die Pinta und Nina im Schlepptau, nur für all jene, die es immer genau wissen möchten.
Père Ubu, wie Ubiquité von seinen indianischen Konvertiten zum heiligen Glauben der west- und südsüdoströmischen Kirche zärtlich genannt wurde, war einer der ersten Franzosen, die die unwirtlichen Mangroven-Sümpfe des Mississippi-Deltas betraten, um sie auf Geheiß ihres genialischen Wirtschaftsministers Colbert ur-, frucht- und mannbar zu machen. Mannbar bedeutet hier so viel wie fix und fertig präpariert zur Ausbeutung durch die heiteren Kolonisatoren, die der sonnengleiche Ludwig Katorz aussandte.
Der Siegeszug des Upupa epops auf dem nordamerikanischen Kontinent nahm von hier seinen Anfang und ward nicht mehr aufzuhalten.
Aus Père Ubus in Fragmenten auf uns gekommenen Reisetagebüchern entnehmen gestrenge Papisten seit ihrer Entschlüsselung durch gewiefte Crossover-Ornitho-Historiker mit Abscheu, dass er seinen Schützling "Thirsty" bei dessen haitianischen Upupa epops-Riten gewähren ließ ... selbstverständlich im Rahmen religiös-sittlicher Läuterung und in regelhafter Absprache mit dem Vatikan. Er fand diesen seinen Getreuen übrigens immerdurstig an einem Thursday auf Haiti. Auch Daniel Defoe bediente sich 1718, um exakt zu sein, jener pragmatischen Form der Namensverleihung bei seinem erfundenen Freitag. Doch sind dies Robinsonaden, die wir hier nicht zu vertiefen gedenken. Das nämliche Jahr ist bei genauerem Studium noch weitaus ergiebiger: Üppiges Dekorum auf Eiern des Upupa epops gab es fortan und seit seiner Gründung 1718 (!) durch Père Ubus illegitimen (und vor dem Popen verheimlichten) Sohn Hugues Ubu auch im Städtchen New Orleans. Hier offenbarte sich das zweite Geheimnis seines Vaters: die Abstammung Pères von der berühmtesten Heiligen der welsch-katholischen Kirche, Johanna von Orleans; er war ihr Urururuhrneffe, ein Geheimnis, mit dem Hugues hausieren ging und welches schon deshalb offen genannt werden muss.
Nun trug es sich zu, dass nicht nur die nordamerikanischen Eingeborenen vom Stamme der Iroquois die Federhaube des unlängst immigrierten Upupa epops so reizvoll fanden, dass sie sie zu ihrem Kopfschmucke erkoren. Eine vergleichbare und in allen Farben schillernde Haubentracht ziert bis zum heutigen Tage junge Menschen in Nordamerika und Eurasien vom Stamme Punk.
Ein anderes Tier, das seit Aber-Jahrtausenden über die Inselgrüppchen der Aleuten zwischen den Steppen und Prärien soeben benannter Kontinentalblöcke pendelt und dessen legendäre Sprungkraft sich tatsächlich nur bei jenem Insel-Hopping in der Bering-See entwickeln konnte (begeisternd auch ihr nachgerade artistischer Paarungstanz, der sie lange Zeit schwebend und liebkosend in der Luft belässt), fand desgleichen Gefallen am Upupa epops. Natürlich nicht an dessen Haube; der Lepus sah sich mit zwei Löffeln und einer Blume hinreichend von seinem Schöpfer ausgestattet. Ihn interessierten u.a. des Hoopoe (engl.) oder der Huppe (frz.) architektonische Prinzipien beim Nestbau in toten Astlöchern und in von Blitzeinschlägen gezeichneten Baumstämmen, die sich so vollkommen von seiner Methode des Ablegens junger Leporidae hinter dürftigen Grasbüscheln in Steppe und Prärie unterschied. Viel pikanter noch war für den Haso (warum eigentlich sollten wir ihn nicht bei seinem mittelhochdeutschen Namen nennen?) der Inhalt jener Gelege, den er meist mit feinen braunen Sprenkeln naturbelassen und viel seltener mit seltsamen Zacken- und Perlenmustern verziert vorfand, die ihn entfernt an die elaborierten Schmuckelemente germanischer Schnurkulturen erinnerten, von denen steinalte Hasos zu berichten wussten.
Raubte der nordamerikanische Lepus jene geschmückten Eier des Upupa zum Spiele für seine Junghasos, erlebte er nicht selten einen verzweifelten Aufruhr unter den nativen Amerikanern, die dank "Thirstys" Hartnäckigkeit zu Anhängern des Upupa-Kultes geworden waren. Wir überlieferten dies weiter oben. Sie riefen dann aufgeregt in einer archetypischen Kreuzung aus sogenanntem Vulgärfranzösisch mit der langage enfantin: " Vous ... dou? Vous ... doudou?" Das Verbum in dieser Konstruktion war ihnen nicht geläufig, denn die fröhlichen Kolonisatoren des Sonnenkönigs verfolgten schon damals keine Absicht zur Weiterbüldung der Nativen.
Der Lepus Nordamerikas machte sich bei einem Verwandtenbesuch in Eurasien folgenden Reim auf diesen Zauber: "(Haben) SIE SCHMUSEDECKE (gesehen)?", id est: "Wissen Sie, wo die kultischen Ei-Objekte abgeblieben sein könnten?" und bezeichnete ihn hinfort mit "Voodoo", als er die Schmuck-Eier des Upupa behutsam aus einer Kiepe zauberte, welche ihm zum sicheren Transport derselben über die holperige Bering-See gedient hatte. Seine Vettern in der kasachischen Steppe beäugten die kultischen Eier als neumodischen Schmonzes ihres Cousins aus Amerika. Sie überreichten die fragilen Dinger einem alten Tartaren zur Aufbewahrung.
Eines von dessen tartarischen Kindeskindern pflegte gegen Ende eines noch nie dagewesenen Weltgetöses, von dem sogar in den hintersten Winkeln Kasachstans noch ein dumpfer Widerhall erklang, mit Fett und zerraspeltem Hasenfell (=Filz) einen jungen teutschen Boten dieses irrlichternden Untergangs vom Beinahetod ins Leben zurück. Und er versorgte diesen Boten und Piloten in endlos durchwachten Nächten an seinem kargen Jurtenlager mit jener uralten Eier-Kunde. Kleverer Teutscher der er war, machte dieser nach seiner Genesung den Hasen-Mythos links- und rechtsrheinisch salonfähig und wurde dergestalt zum Liebling aller teutschen Hasengemüter und heimlichen Hasenpfotensammler nicht nur im globalen Dorf, sondern weltweit. Über den Schwindel mit den Kulteiern des Upupa epops, die er seit dem Äquinoktium des Jahres 1951 den Teutschen als Eier des Osterhasen verkaufte – das Wirtschaftswunder schlechthin – schwieg der Schamane mit dem Namen Joseph Beuys bis zu seinem wirklichen, frühen, späteren Tod beharrlich und demnach konstant.
Doch beklagen wir nicht Nichtbeklagenswertes, denn wir durften erleben, dass er mitunter gütigst sich filzen ließ – durch kluge sowie dumme Sprüche aus dem Volke (das, ganz nebenbei, auf seinen Rat auch gern "Ei Tartar" speiste), die er stets heiter auffing und fett retournierte. "Hab' Sonne und Bregen, statt Sonne und Reagan", hieß seine bekannteste Motette.
Und wieso "Ei des Kolumbus"?, hör' ich Sie insistieren. – Die West-Ost-Passage des Cristoforo war in dieser Hinsicht ungleich weniger von Erfolg gekrönt als seine Ost-West-Passage, die auf der Suche nach einer Abkürzung hin zu den sagenhaften Gewürzküsten Indiens der alten per Zufall eine neue Welt schenkte. Um von fremdem Brauchtum seiner Königin Isabella I. auch dinghaften Beweis zu erbringen, suchte er auf der Santa Maria oder der Pinta vergeblich, Kulteier des Upupa epops heim zu schaffen an portugiesische Gestade. Schwere See und Schiffsratten hatten nur kalkreichen Schalenbruch für Isabellas Hühnerhof zurückgelassen. Zu recht entließ sie ihn bei seiner zweiten erfolglosen Audienz mit eisiger Miene und dem Hinweis, sich erst wieder unter ihre Augen zu wagen mit einem unversehrten Upupa epops-Ei und das stehenden Fußes.
Endlich, mit einer kleinen, wendigen Karavelle gelang es Cristoforo Colombo auf seiner dritten Fahrt, einige unbeschädigte Exemplare – in natura und als Kultobjekte von eingeborenen Pinseln verziert – nach Iberia zu befördern. Da geschah es: Isabellas harsche Order "stehenden Fußes" hätte grausamer nicht missverstanden werden können. Colombo stand der greisen Potentatin nach vier langen Jahren erneut gegenüber. Stolz entnahm er einem mit Sammet ausgeschlagenen Kasten, in welches ein begabter Zimmermann nach seinen präzisen Vorgaben die Negativformen von Upupa epops-Eiern gehauen hatte, ein Ei nach dem anderen, entleert waren sie allesamt – schlug sie vor den ungläubigen Blicken seiner Gebieterin am bauchigen Schwerpunkt ihrer ovalen Hülle an und brachte sie bis auf wenige Ausnahmen, die subito an der Tischkante zerschellten, "stehenden Fußes" auf den Expositionstisch. Isabellas Staunen wich rasch Entsetzen, sie hauchte, kaum hörbar: "Cristoforo, Ihr seid ein echter Stinkvogel ..." und – salida, uscita, fine, exitus – verschied.
Der Genueser überlegte nicht lang, welchen Namen er seinem Schiff für die nächste Expedition zu den Inseln über dem Wind geben sollte. "Fine" sollte es heißen, denn zu einem gütlichen Abschluss wollte er die Angelegenheit bringen und packte sich – fort aus dem Dunstkreis des spanischen Hofes mitsamt seiner inquisitorischen Intrigen. Von dieser vierten und letzten Reise kehrte er als gebrochener alter Mann zurück, nachdem viele Male Gras über die Hochebenen Kastiliens und Eurasiens gewachsen war. Denn bis zuletzt war ihm nicht vergönnt gewesen zu beweisen, wonach er zeit seines Lebens trachtete: dass die Welt die Form eines Upupa epops-Eies habe.
Einige Schalenreste aus einem Upupa epops-Gelege sind heute im Schifffahrtmuseum zu Lissabon zu besichtigen. Durch eine Lupe im Vitrinenglas erkennt der Besucher zarte Bemalungen. Diese zur Tag- und Nachtgleiche zu betrachten, ist unter jungen Portugiesen Kult und soll Glück bringen. Isabellas Überreste ruhen in der Kapelle San Cristoforo im Escorial bei Madrid.
Jeannine Fiedler, April 2005
*Wiedehopf
Père Ubu, wie Ubiquité von seinen indianischen Konvertiten zum heiligen Glauben der west- und südsüdoströmischen Kirche zärtlich genannt wurde, war einer der ersten Franzosen, die die unwirtlichen Mangroven-Sümpfe des Mississippi-Deltas betraten, um sie auf Geheiß ihres genialischen Wirtschaftsministers Colbert ur-, frucht- und mannbar zu machen. Mannbar bedeutet hier so viel wie fix und fertig präpariert zur Ausbeutung durch die heiteren Kolonisatoren, die der sonnengleiche Ludwig Katorz aussandte.
Der Siegeszug des Upupa epops auf dem nordamerikanischen Kontinent nahm von hier seinen Anfang und ward nicht mehr aufzuhalten.
Aus Père Ubus in Fragmenten auf uns gekommenen Reisetagebüchern entnehmen gestrenge Papisten seit ihrer Entschlüsselung durch gewiefte Crossover-Ornitho-Historiker mit Abscheu, dass er seinen Schützling "Thirsty" bei dessen haitianischen Upupa epops-Riten gewähren ließ ... selbstverständlich im Rahmen religiös-sittlicher Läuterung und in regelhafter Absprache mit dem Vatikan. Er fand diesen seinen Getreuen übrigens immerdurstig an einem Thursday auf Haiti. Auch Daniel Defoe bediente sich 1718, um exakt zu sein, jener pragmatischen Form der Namensverleihung bei seinem erfundenen Freitag. Doch sind dies Robinsonaden, die wir hier nicht zu vertiefen gedenken. Das nämliche Jahr ist bei genauerem Studium noch weitaus ergiebiger: Üppiges Dekorum auf Eiern des Upupa epops gab es fortan und seit seiner Gründung 1718 (!) durch Père Ubus illegitimen (und vor dem Popen verheimlichten) Sohn Hugues Ubu auch im Städtchen New Orleans. Hier offenbarte sich das zweite Geheimnis seines Vaters: die Abstammung Pères von der berühmtesten Heiligen der welsch-katholischen Kirche, Johanna von Orleans; er war ihr Urururuhrneffe, ein Geheimnis, mit dem Hugues hausieren ging und welches schon deshalb offen genannt werden muss.
Nun trug es sich zu, dass nicht nur die nordamerikanischen Eingeborenen vom Stamme der Iroquois die Federhaube des unlängst immigrierten Upupa epops so reizvoll fanden, dass sie sie zu ihrem Kopfschmucke erkoren. Eine vergleichbare und in allen Farben schillernde Haubentracht ziert bis zum heutigen Tage junge Menschen in Nordamerika und Eurasien vom Stamme Punk.
Ein anderes Tier, das seit Aber-Jahrtausenden über die Inselgrüppchen der Aleuten zwischen den Steppen und Prärien soeben benannter Kontinentalblöcke pendelt und dessen legendäre Sprungkraft sich tatsächlich nur bei jenem Insel-Hopping in der Bering-See entwickeln konnte (begeisternd auch ihr nachgerade artistischer Paarungstanz, der sie lange Zeit schwebend und liebkosend in der Luft belässt), fand desgleichen Gefallen am Upupa epops. Natürlich nicht an dessen Haube; der Lepus sah sich mit zwei Löffeln und einer Blume hinreichend von seinem Schöpfer ausgestattet. Ihn interessierten u.a. des Hoopoe (engl.) oder der Huppe (frz.) architektonische Prinzipien beim Nestbau in toten Astlöchern und in von Blitzeinschlägen gezeichneten Baumstämmen, die sich so vollkommen von seiner Methode des Ablegens junger Leporidae hinter dürftigen Grasbüscheln in Steppe und Prärie unterschied. Viel pikanter noch war für den Haso (warum eigentlich sollten wir ihn nicht bei seinem mittelhochdeutschen Namen nennen?) der Inhalt jener Gelege, den er meist mit feinen braunen Sprenkeln naturbelassen und viel seltener mit seltsamen Zacken- und Perlenmustern verziert vorfand, die ihn entfernt an die elaborierten Schmuckelemente germanischer Schnurkulturen erinnerten, von denen steinalte Hasos zu berichten wussten.
Raubte der nordamerikanische Lepus jene geschmückten Eier des Upupa zum Spiele für seine Junghasos, erlebte er nicht selten einen verzweifelten Aufruhr unter den nativen Amerikanern, die dank "Thirstys" Hartnäckigkeit zu Anhängern des Upupa-Kultes geworden waren. Wir überlieferten dies weiter oben. Sie riefen dann aufgeregt in einer archetypischen Kreuzung aus sogenanntem Vulgärfranzösisch mit der langage enfantin: " Vous ... dou? Vous ... doudou?" Das Verbum in dieser Konstruktion war ihnen nicht geläufig, denn die fröhlichen Kolonisatoren des Sonnenkönigs verfolgten schon damals keine Absicht zur Weiterbüldung der Nativen.
Der Lepus Nordamerikas machte sich bei einem Verwandtenbesuch in Eurasien folgenden Reim auf diesen Zauber: "(Haben) SIE SCHMUSEDECKE (gesehen)?", id est: "Wissen Sie, wo die kultischen Ei-Objekte abgeblieben sein könnten?" und bezeichnete ihn hinfort mit "Voodoo", als er die Schmuck-Eier des Upupa behutsam aus einer Kiepe zauberte, welche ihm zum sicheren Transport derselben über die holperige Bering-See gedient hatte. Seine Vettern in der kasachischen Steppe beäugten die kultischen Eier als neumodischen Schmonzes ihres Cousins aus Amerika. Sie überreichten die fragilen Dinger einem alten Tartaren zur Aufbewahrung.
Eines von dessen tartarischen Kindeskindern pflegte gegen Ende eines noch nie dagewesenen Weltgetöses, von dem sogar in den hintersten Winkeln Kasachstans noch ein dumpfer Widerhall erklang, mit Fett und zerraspeltem Hasenfell (=Filz) einen jungen teutschen Boten dieses irrlichternden Untergangs vom Beinahetod ins Leben zurück. Und er versorgte diesen Boten und Piloten in endlos durchwachten Nächten an seinem kargen Jurtenlager mit jener uralten Eier-Kunde. Kleverer Teutscher der er war, machte dieser nach seiner Genesung den Hasen-Mythos links- und rechtsrheinisch salonfähig und wurde dergestalt zum Liebling aller teutschen Hasengemüter und heimlichen Hasenpfotensammler nicht nur im globalen Dorf, sondern weltweit. Über den Schwindel mit den Kulteiern des Upupa epops, die er seit dem Äquinoktium des Jahres 1951 den Teutschen als Eier des Osterhasen verkaufte – das Wirtschaftswunder schlechthin – schwieg der Schamane mit dem Namen Joseph Beuys bis zu seinem wirklichen, frühen, späteren Tod beharrlich und demnach konstant.
Doch beklagen wir nicht Nichtbeklagenswertes, denn wir durften erleben, dass er mitunter gütigst sich filzen ließ – durch kluge sowie dumme Sprüche aus dem Volke (das, ganz nebenbei, auf seinen Rat auch gern "Ei Tartar" speiste), die er stets heiter auffing und fett retournierte. "Hab' Sonne und Bregen, statt Sonne und Reagan", hieß seine bekannteste Motette.
Und wieso "Ei des Kolumbus"?, hör' ich Sie insistieren. – Die West-Ost-Passage des Cristoforo war in dieser Hinsicht ungleich weniger von Erfolg gekrönt als seine Ost-West-Passage, die auf der Suche nach einer Abkürzung hin zu den sagenhaften Gewürzküsten Indiens der alten per Zufall eine neue Welt schenkte. Um von fremdem Brauchtum seiner Königin Isabella I. auch dinghaften Beweis zu erbringen, suchte er auf der Santa Maria oder der Pinta vergeblich, Kulteier des Upupa epops heim zu schaffen an portugiesische Gestade. Schwere See und Schiffsratten hatten nur kalkreichen Schalenbruch für Isabellas Hühnerhof zurückgelassen. Zu recht entließ sie ihn bei seiner zweiten erfolglosen Audienz mit eisiger Miene und dem Hinweis, sich erst wieder unter ihre Augen zu wagen mit einem unversehrten Upupa epops-Ei und das stehenden Fußes.
Endlich, mit einer kleinen, wendigen Karavelle gelang es Cristoforo Colombo auf seiner dritten Fahrt, einige unbeschädigte Exemplare – in natura und als Kultobjekte von eingeborenen Pinseln verziert – nach Iberia zu befördern. Da geschah es: Isabellas harsche Order "stehenden Fußes" hätte grausamer nicht missverstanden werden können. Colombo stand der greisen Potentatin nach vier langen Jahren erneut gegenüber. Stolz entnahm er einem mit Sammet ausgeschlagenen Kasten, in welches ein begabter Zimmermann nach seinen präzisen Vorgaben die Negativformen von Upupa epops-Eiern gehauen hatte, ein Ei nach dem anderen, entleert waren sie allesamt – schlug sie vor den ungläubigen Blicken seiner Gebieterin am bauchigen Schwerpunkt ihrer ovalen Hülle an und brachte sie bis auf wenige Ausnahmen, die subito an der Tischkante zerschellten, "stehenden Fußes" auf den Expositionstisch. Isabellas Staunen wich rasch Entsetzen, sie hauchte, kaum hörbar: "Cristoforo, Ihr seid ein echter Stinkvogel ..." und – salida, uscita, fine, exitus – verschied.
Der Genueser überlegte nicht lang, welchen Namen er seinem Schiff für die nächste Expedition zu den Inseln über dem Wind geben sollte. "Fine" sollte es heißen, denn zu einem gütlichen Abschluss wollte er die Angelegenheit bringen und packte sich – fort aus dem Dunstkreis des spanischen Hofes mitsamt seiner inquisitorischen Intrigen. Von dieser vierten und letzten Reise kehrte er als gebrochener alter Mann zurück, nachdem viele Male Gras über die Hochebenen Kastiliens und Eurasiens gewachsen war. Denn bis zuletzt war ihm nicht vergönnt gewesen zu beweisen, wonach er zeit seines Lebens trachtete: dass die Welt die Form eines Upupa epops-Eies habe.
Einige Schalenreste aus einem Upupa epops-Gelege sind heute im Schifffahrtmuseum zu Lissabon zu besichtigen. Durch eine Lupe im Vitrinenglas erkennt der Besucher zarte Bemalungen. Diese zur Tag- und Nachtgleiche zu betrachten, ist unter jungen Portugiesen Kult und soll Glück bringen. Isabellas Überreste ruhen in der Kapelle San Cristoforo im Escorial bei Madrid.
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